projektraum viktor bucher  / home
RUDI MOLACEK

Rudi Molacek



RUDI MOLACEK

Ausstellungseröffnung: Dienstag, 21.10.2014, 19:00 – 22:00 Uhr
Ausstellungsdauer: 22.10.-23.11.2014


Einführung: Dr. Thomas Miessgang


projektraum viktor bucher
a 1020 vienna, praterstrasse 13/1/2
t/f  +43 (0) 1 212 693 0
m  +43 (0) 676 561 988 0
projektraum@sil.at
www.projektraum.at


22.11.2014: Führung im Rahmen der VIENNA ART WEEK 2014. Start: 15:00 Uhr, Charim Galerie


Rudi Molacek

Wenn man über Rudi Molacek und seine Arbeit spricht, dann redet man nicht nur über einen Maler, sondern über einen wahren Renaissancemenschen des 20. und 21. Jahrhunderts, der, um es mit Stanley Kubrick zu sagen, sehr unterschiedliche Wege zum Ruhm gegangen ist. In Molaceks Existenz sind mindestens vier Leben enthalten, wenn man nur die an der Oberfläche abtastbaren Existenzparadigmen berücksichtigt. Da war die frühe Zeit als Model für die Shampoo-Firma Guhl, als er von Starfotografen wie Bruce Weber und Richard Avedon für alle wichtigen Modemagazine fotografiert wurde. Wobei ich mich von Wikipedia habe belehren lassen, dass der Begriff Model in den 1970er Jahren noch gar nicht existiert hat, und stattdessen von Dressman gesprochen wurde. Was wiederum ein Scheinanglizismus ist, der in den anglophonen Ländern überhaupt nicht verstanden wird. Dortspricht man schlicht von male model. Wie auch immer: Rudi Molacek war als Mann damals ein Avantgardist im, wie es in einer Definition heißt, „optischen Einsatz des eigenen Körpers zum Zwecke der Werbung, Verkaufssteigerung, Vorführung oder Präsentation einer Sache oder Dienstleistung.“ Wobei uns erst der nächste Satz in derselben Definition im Hinblick auf die Lebensleistung von Molacek weiterbringt: „Models können auch zur Darstellung von ästhetischen, künstlerischen oder politischen Anliegen eingesetzt werden.“ Ästhetische und künstlerische Aspekte sollten in Rudi Molaceks Biographie schnell die Oberhand gewinnen, doch war er zu diesem Zeitpunkt längst kein Model mehr. Schon mit Ende 20 hatte er das Geschäft der Schaustellerei auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten aufgegeben und den Platz vor der Linse mit dem hinter der Kamera vertauscht. Molacek, der ehemalige Schönheitsdarsteller wurde schnell zu einem gefragten Darsteller von Schönheit, der erfolgreiche Kampagnen für Boss, Yves Saint-Laurent, Kodak uns viele andere inszenierte. „Als Model gewöhnt an Schönheit, Glamour und Selbstdarstellung,“ schrieb der Spiegel,„gelangen ihm Bilder voller Schönheit, Glamour und Selbstdarstellung.“ Die aus der jahrelangen Tätigkeit als Modefotograf resultierende Gastprofessur an der Universität für angewandte Kunst war dann schon Teil der nächsten künstlerischen Häutung des Globetrotters Molacek, der zeitweise deutlich mehr Zeit in New York verbrachte als in Wien. Das´Turn on` und ´Tune in` zur Malerei fand in der Begegnung mit den Werken der niederländischenCobra-Gruppe und vor allem von deren Spiritus Rector Karel Appel statt, den Rudi Molacek persönlich kennen und schätzen lernte. Dazu kam der intensive Kontakt mit den damals ´Neuen Wilden` in Österreich, mit Malern wie Gunter Damisch, Heimo Zobernig, Franz West, Peter Kogler und vielen anderen.Molacek näherte sich dem vielfach ausgemessenen Universum der Malerei zunächst nicht als Praktiker an, sondern als Sammler. Er investierte seinen Fotografenverdienst in die Werke der up and coming artists, hielt sich auch oft in deren Ateliers auf und schuf so, locker und nebenbei mit der Kamera auch einige der schönsten Künstlerportraits aus jüngerer Zeit. In diesen bewegten 1980er Jahren fand die endgültige Transformation des Rudi Molacek vom Objekt der Kamera zum Subjekt des Pinsels statt. Keine künstlerische Revolution, sondern eine biographische Evolution. Ein vorsichtiges Tasten, das darauf gerichtet war, ästhetische Trittsicherheit zu gewinnen und nur in zweiter Linie auf Ausstellung und Selbstdarstellung zielte. Davon hatte Molacek zuvor schon genug gehabt. Es ging nun um Fotografie mit künstlerischem Anspruch, um Kunst-Happenings in New Yorker Avantgarde-Galerien, schließlich auch um das konventionellste und gleichzeitig herausforderndste künstlerische Handwerk: die Malerei. Eine lange Vorrede, um zu dem zu kommen, was wir hier an den Wänden und am Boden sehen, aber notwendig, um zu erkennen, dass wir es hier – paradox gesprochen – mit einer Leichtigkeit des Seins zu tun haben, die gleichwohl hart erkämpft wurde. Der Begriff´Sprezzatura`den Rainer Metzger im Zusammenhang mit Molacek ins Spiel gebracht hat, die Leichtigkeit und Lässigkeit, man könnte im Zusammenhang mit den amerikanischen Abenteuern des Künstlers auch von ´urban cool` sprechen, mag eine Grundgestimmtheit seiner malerischen Ambitionen zum Ausdruck bringen, das Endresultat jedoch keines, das sich wie von selbst erschafft. Die Arbeiten, die hier zu sehen sind, hat mir Rudi Molacek noch gestern erzählt, sind nach einer längeren Schaffenspause entstanden, in der er kaum etwas produziert hat: Er hatte das Gefühl, sich zu wiederholen, keinen natürlichen, frischen Ansatz für sein malerisches Ausdrucksbedürfnis zu finden. „Fear is a man`s best friend“ hat der Velvet Underground-Veteran John Cale einen seiner Songs genannt und Angst ist es auch, die viele Künstler begleitet, wenn sie sich an der Malerei, jener zum Klischee ihrer selbst gewordenen und vielfach totgesagten Kunst versuchen. Mit der Angst im Nacken kann man jedoch nichts produzieren und so verordnete sich der Künstler – siehe ´Sprezzatura` - eine Phase der Kontemplation, des Nachdenkens, des Wartens auf Inspiration. Bis er den Eindruck hatte, nun wieder ready to go zu sein. Was nun in jüngster Zeit an Malerischem entstanden ist, ist gewissermaßen die Synthese aus einer Selbstverpflichtung zu abstrakt gedachten Linienkonfigurationenund jenen biomorphen Strukturen, die Molacek vor allem in den 1990er Jahren mit dem Computer als luftige Aquarelle auf gelacktem Fotopapier oder PVC-Rollen geschaffen hat. Und das unter Berücksichtigung einer breit ausgebauten Farbpalette. Die Bilder haben eine suggestive koloristische Präsenz, ohne unmittelbar an Neon- oder Signalfarben zu erinnern. Das hat, ohne jetzt allzu sehr ins technische Detail gehen zu wollen mit einer Schichtenästhetik zu tun, bei der unterschiedliche Farben aufgetragen und teilweise wieder abgekratzt und sowohl mit den Fingern als auch mit dicken Pinseln oder mit Maltüchern verwischt werden. Maltücher, die man übrigens auch hier in diesem Kasten als kleine installative Inszenierung sehen kann. Außerdem arbeitet Molacek aufeinem Malgrund, der die Farben nicht aufsaugt, sondern resorbiert und in ihrer prallen Sättigung wie die Phoneme eines visuellen Alphabets ausstellt. „Ich möchte, dass die Bilder aussehen, als ob sie von innen leuchten würden“, sagt Rudi Molacek und deutet damit möglicherweise eine transzendentale Dimension an, wie man sie auch in den Arbeiten von Arnulf Rainer aus jüngerer Zeit erkennen kann. Wer willl, kann in den aktuellen Arbeiten auch Echowirkungen der grellen Farbenspieleund der graphisch-stilisierten Natur- und Landschaftsbilder von Molaceks Hausgott Karel Appel sehen und Spurenelemente des Action Painting der 1950er Jahre. Doch das alte und altbekannte Rätselspiel, welcher Künstler in einem neuen Werk welchen ästhetischen Abdruck hinterlassen hat, ist vielleicht einmal zu oft gespielt worden und in unserer Post-Everything-Epoche auch nicht mehr relevant. Wir sollten die Resultate der neuen Produktionskonvulsion von Rudi Molacek als Ergebnisse eines Selbstfindungs- und Selbsterfindungsprozesses nehmen. Keine permanente Revolution, sondern eine permanente Evolution. Peter Weibel hat einmal über den Sammler Rudi Molacek geschrieben: „Ein unsicherer Sammler ist der ideale Sammler, der die Selektionsprozesse der Geschichte und die Konstruktionsprozesse der Gegenwart ausbalanciert.“In diesem Sinne würde ich auch den unsicheren Künstler als idealen Künstler bezeichnen: Konstrukteur eines magischen Privatuniversums, das gleichwohl Anschluss an die Lebenswelten der Anderen sucht, Zweifler an der eigenen Innovationskraft, der gerade in der Verweigerung der allzu leicht abrufbaren Könnerschaft jenes Andere zuwegebringt, das als verzerrte Spiegelung des Kanonischen unabdingbar ist. Was zählt, das liegt dazwischen.

Thomas Miessgang

Ausstellungsansicht