In seinem Artikel »The Serial Attitude«
von 1967 betont der amerikanische Künstler Mel Bochner: »Serial order is a
method, not a style.« Die Anwendung serieller Prinzipien ist für ihn demnach
kein stilistisches Phänomen, das einer bestimmten Ästhetik entspricht, sondern
die Manifestation einer spezifischen künstlerischen Praxis und Haltung.
Im Gegensatz zu einer systematischen Methode, entsprechen
Fleissners ausschliesslich mit schwarzem Marker auf weissem Hintergrund
gezeichneten Arbeiten eher einem intuitiven oder gar expressiven Vorgehen, für
das nicht immer ein vorher festgelegtes Konzept kennzeichnend scheint, welches
ihm erlaubt, einen weiten Spielraum für Veränderungen und
Variationen auszuloten.
Grundsätzlich basiert eine Serie auf dem
Prinzip der Wiederholung des Gleichen oder zumindest Ähnlichen. Sie besteht,
wie es Uwe M. Schneede definiert hat, »aus gleichwertigen Elementen mit
vorherrschenden Motiv- und Formkonstanten, in deren Rahmen Varianten
durchgespielt werden.«Das
Arbeiten in Serien ist zweifellos eine der zentralen Methoden der
zeitgenössischen Kunst, so vor allem in der Minimal Art und Conceptual Art der
1960er- und 1970er-Jahre.
Ein gängiger
interpretatorischer Topos abstrakter Malerei der 1950er-Jahre sah in der
spontanen- und bewegten Gestik des Farbauftrags ein aus dem Unbewussten
kommendes Psychogramm seelischer Erregungszustände. Die Verklärung der Malerei
zum dramatischen subjektiven Ausdruck jenseits aller Vernunftkontrolle wurde zu
dieser Zeit besonders anhand des Action
Painting von Jackson Pollock zelebriert.
Die Einzigartigkeit jedes von Richard
Fleissners Blättern wird gerade in der Serie ersichtlich, wo die feinen Unterschiede
umso deutlicher hervortreten, wenn man mehrere Bilder nebeneinander
hängt.
Auch wenn Fleissners Zeichenserien ein
Höchstmaß an Ordnung zeigen, verwehrt eine solche Bildstruktur zwangsläufig die
Möglichkeit der Erfassung des Bildganzen. In dem Versuch einer visuellen
Aneignung werden diese Grafiken als Manifestationen einer sprachlich nicht
einholbaren Fülle erlebt, was manchmal durchaus eine unbewusste Überforderung
des Betrachters nach sich ziehen kann.
Die Erwartung, man könne mit seinen Augen in
dem Bild leicht umherwandern, wird hier oft zum Erlebnis eines visuell
verwirrenden, fast schon psychedelischen Labyrinths.
Das lustvoll und intuitiv strukturierte,
mittlerweile auf mehrere Hundert Blätter angewachsene Motivrepertoire ist für Richard
Fleissner nicht zuletzt ein zentrales Instrument inhaltlicher und formaler
Reflexionen.*
Komplettiert
wird die Schau der knapp 40 Blätter in drei unterschiedlichen Grössen mit einer
Auswahl von drei ästhetisch wie formal überzeugenden, zum Teil benutzbaren Skulpturen-Gruppen
aus unterschiedlichen, recycelten Metallteilen wie ausgewalzten Konservenbüchsen,
Werbetafeln oder zu einer Stele angeordneten Waschmaschinentrommeln aus den
Jahren 1995-1997!
*Unter Verwendung einiger Textbausteine aus: Hubertus Butin, 2012: Gerhard Richter - Das Prinzip des Seriellen. In:
gra.hypotheses.org, 2012/11/26.
"Zwei x Einwurf "oder "EinZweiWurf?", 1997. (1, Davidgasse). Versch. Materialien. 65 x ø 73,5 cm bzw. 66 x ø 73,5 cm
O.T., 2022-23. Schwarzer Marker auf Papier. 90 x 63 cm bzw. 63 x 90 cm