eigenTLichMarkus Wilfling
MARKUS WILFLING
eigenTLich
Einladung zur Ausstellungseröffnung am Donnerstag, den 14.11.2013, 19-22 Uhr
Ausstellungsdauer bis 10.01.2014
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-19 Uhr , Sa 11–15 Uhr
Einführung: Dr. Thomas Miessgang
projektraum viktor bucher
a 1020 vienna, praterstrasse 13/1/2
t/f +43 (0) 1 212 693 0
m +43 (0) 676 561 988 0
projektraum@sil.at
www.projektraum.at
wein by cafe engländer
Donnerstag,
21.11.2013, 16:00 Uhr: Kuratorenführung mit Ursula Maria Probst:
Treffpunkt: Projektraum
Viktor Bucher
Danach:
Galerie nächst St. Stephan
Galerie Emanuel Layr
Galerie Krinzinger
"Markus Wilfling gehört als Vertreter der österreichischen Skulptur zu den originellsten und markantesten Künstlern der jüngeren Generation. 2003 rückte er mit der Installation des Schattens des Grazer Uhrturms medienwirksam in das Licht der Öffentlichkeit. Wilfling interessiert sich für das Alltägliche, für unbemerkte oder unbewusste Dimensionen der Realität. Ihm geht es um Irritation von vorgefassten Wahrnehmungsbegriffen. Wirklichkeit wird bei Markus Wilfling unberechenbar und unvorhersehbar: Schein und Sein gehen ineinander über, Virtuelles schlägt um in Reales, Imaginäres in Konkret-Gegenständliches."
Markus Wilfling is one of the most original and striking sculpturing artists of Austria’s younger generation. In the year 2003 he was widely noticed both in the public and the media with his installation of the "Shadow of the Clocktower"(Uhrturmschatten) for Graz, Europe`s Capital of Culture 2003. Wilfling is interested in every day occurrences, unnoticed or unconscious dimensions of reality. He irritates preconceived concepts of perception: Reality in Wilfling’s art becomes incalculable and unpredictable: appearance and reality merge, virtual reality gets real and the Imaginary definite.
Markus Wilfling – eigenTlich
Man könnte Markus Wilfling
als Wahrnehmngsfalschmünzer bezeichnen. Seine Objekte stammen überwiegend aus
dem sozialen und geographischen Raum, in dem er sich bewegt und verströmen auf
den ersten Blick das Aroma einer transzendentalen Behaustheit. Oder, um es mit
Anthony Giddens zu sagen: einer ontologischen Stabilität. Man erkennt die
Formen und Konturen, man ordnet ein und kategorisiert. Man versucht Erinnerung
und unmittelbare Anschauung zur Deckungsgleichheit zu bringen. Doch immer gibt
es da ein kleines Objekt a, das sich dem organisierenden Blickregime
verweigert. Das eine resiliente Andersartigkeit behauptet, einen Anhauch des
Fremden und Unkategorisierbaren, einen gähnenden Abgrund der Kontingenz. Ob es
sich nun um eine Psyche handelt, deren Spiegel durch schwarze Gummiplatten
blickdicht gemacht wurden und die damit ihre zentrale Funktion, nämlich die
kontrollierende Überprüfung der eigenen Erscheinung verloren hat. Um einen
konventionellen Ovalspiegel, hinter dem sich dessen Schatten materiell
konkretisiert. Oder um einen Allibert-Schrank, dem geradezu emblematischen
Badezimmer-Gebrauchsmöbel der Sechziger- und Siebzigerjahre. Dieses Teil wurde
horizontal in drei Teile zerschnitten und die einzelnen Blöcke dann so verschoben,
dass erstens, das Öffnen der Türen nicht mehr möglich ist und das Spiegelbild
gespalten und wie durch einen Übertragungsfehler zerschnitten und verschoben
wiedergegeben wird. Lacans bekannte These vom Spiegelstadium als Bildner der
Ich-Funktion wird so gewissermaßen in ihr Gegenteil verkehrt. Und der Spiegel
übt die Funktion eines Zerstörers der kohärenten Ich-Erfahrung aus.
Dekomposition, Dekonstruktion und Wahrnehmungsirritation – das sind einige der
zentrale Motive in der Arbeit von Markus Wilfling. Meist holt er den Betrachter
dort ab, wo er sich auskennt – in seinem kleinen, überschaubaren Alltagsleben -
und nimmt ihn mit in eine seltsame und fremde Welt.
Doch es gibt auch Arbeiten,
die die Allianz mit der Banalität des Allzumenschlichen vollständig
aufgekündigt haben. Dazu gehört jene minimalistisch-abstrakte Konfiguration,
die einen in einem römischen Atelier gefundenen schwarzen Karton mit einer
weißen Styroporkugel kombiniert. Und zwar so, dass die Kugel in zwei Hälften
zerteilt wurde und ihre volle Dimensionalität erst entfaltet, wenn man einen
Blick hinter die Benutzerobefläche, oder sagen wir besser: Betrachteroberfläche
wagt.
„Stop making Sense“ heißt
ein bekannter Popsong, und Werke wie dieses zelebrieren die höhere Mathematik
einer Zweckhaftigkeit, - man kann auch sagen: eines reinen Genusses – die dem
Dysfunktionalen und einem hypostasierten Formalismus, um es mit Kant zu sagen -
„abgzweckt“ wurde. Eine andere Variante der Formerfindung anhand von
zweckentfremdeten Objektkategorien ist jener vertikal applizierte Antennenwald,
der wie ein erratisches Zeichensystem aus der Wand herauskragt. Es handelt sich
dabei um Mini-Stative für Kameras, die aus dem gleichen Material wie
Autoantennen hergestellt wurden und fast infinite Möglichkeiten der Anordnung
und Ausrichtung bieten. Neben der skulpturalen Dimension von Material und
formaler Variabilität, gibt es noch einen metaphorischen, man könnte auch
sagen: halluzinatorischen Surplus. Nämlich die Suggestion, dass sich hinter der
Apparatur eine Technologie befände, die noch gar nicht existiert,um sämtliche Gedanken undTräume, das Unausgesprochene
Ein Sammelbecken des
menschlichen Makels, eine Teleportationsmaschine der kommunikativen Realitäten
und Dystopien. Ein Speichermedium all jener Handlungsweisen im Substrat der
Sprache als Wille und Vorstellung manifestieren.
Apropos Sprache: Bei aller
Lust an einer Erzählform, bei der das Unsagbare zu dreidimensionalen
Absichtsbekundung gerinnt und das Narrative sich jenseits von Syntax und
Grammatik entfaltet, spielt auch das geschriebene Wort und die Magie des
Schriftzeichens in der Arbeit von Markus Wilfling eine bedeutende Rolle. Für
die Skulpturengruppe „Wortblöcke“ sammelt er Wörter, die, wenn man so will, ein
gewisses ´Appeal` haben. Meist Substantive mit starker Ausstrahlung, die die
Intuition beflügeln und kognitive Kettenreaktionen auszulösen imstande sind.
Wörter wie Fülle, Reservoir, Kurzschlusshandlung oder, wie bei der Arbeit in
diesem Raum. Wobei es im Auge des Betrachters liegt, ob er darin ein
eskapistisches Drogenerlebnis sehen will oder eine Reise, die geographische
Distanzen überwindet und damit letzendlich auch eine Projektion des eigenen
Selbst in ein von der Psyche nicht kartographiertes Terrain darstellt.
Im Gußverfahren bleiben die
Wörter als Leerstellen ausgespart. Bewohner einer Hohlwelt, eines gespiegelten
kommunikativen Paralleluniversums, in dem die Flüchtigkeit des in Schallwellen
sich manifestierenden gesprochenen Wortes sich als negativer Abdruck im
Gipsblock dauerhaft sedimentiert.
Markus Wilfling setzt sich damit durchaus in
eine skulpturale Tradition, die ihre eigenen Ausdrucksmodalitäten und
ästhetischen Prämissen ständig mitreflektiert und zu deren bekanntesten
Vertretern etwa Rachel Whiteread, vor allem aber Bruce Nauman zählen. Dieser
Künstler hat über seine Arbeit „A cast of space under my chair“ einmal
gesagt:„Der Abguss des Raumes
unter einem Stuhl war die plastische Version von de Koonings Statement: Wenn
man einen Stuhl malen will, sollte man den Raum zwischen seinen Teilen malen,
nicht den Stuhl selbst. Genauso habe ich auch gedacht: über Reste, negative
Räume.“
Auch Markus Wilfling ist ein
Demiurg der negativen Räume, aber ebenso ein Bricoleur, der dem Immateriellen
eine dauerhafte Form verleiht und gesellschaftlich funktionale Gegenstände in
die Absurdität überführt. Ein Liebhaber des Schattens und der romantischen
Doppelgängermotive. Ein Künstler, der dem traumatisch Verdrängten zur
Sichtbarkeit verhelfen will und im allzu Visiblen die verborgenen illusionären
Dimensionen mit dekonstruktiver Eleganz zum Tanzen bringt. Ein
Wahrnehmungspychologe und dreidimensionaler Dadaist, der die Vorstellung von
der Realität als Illusion im Sinne von Platons Höhlengleichnis in immer wieder
neuen Versuchsanordnungen durchdekliniert.
In den letzten Jahren ist
der Begriff „hauntology“, der auf Jacques Derrida zurückgeht, populär geworden.
Gemeint ist damit die Verhexung der Gegenwart durch die Gespenster der
Vergangenheit, die weder ein Sein noch ein Nicht-Sein verkörpern. Wenn man
durch Markus Wilflings magisches Spiegelkabinett der formalen Verzerrungen und
Détournements defiliert, das sich hier im dekontextualisierten Rahmen des White
Cube besonders ungeschützt darbietet, dann scheinen dem Betrachter Antennen zu
wachsen, die Botschaften jenseits von Zeit und Raum zu empfangen imstande sind.
Ende der Geschichte. Neues Spiel, neues Unglück. Man sieht nicht das Lächeln,
sondern nur den Schatten eines Lächelns: The Shadow of your smile.
Thomas Miessgang
“Raumöffner”, 2013. Edelstahl. 270 cm x 50 x 50 cm
EIGENTLICH,
2013. Gips. 143 x 25 x 12 cm
Ausstellungsansicht (Vordergrund: Raumöffner, 2011. Eisen verzinkt, Lack. 90 x 40 x 26 cm).
Strange
Allibert "geteiltes Selbst – verschoben", 2013. Kunststoff, Spiegel. 84 x 60 x 16,5 cm
Apparatur,
2013. Beschichtete Spanplatte, Metall. 195 x 185 x 20 cm
Blickfeld
und Blickpunkt, 2013. Eisen, lackiert, Gips. 145 x 110 x 16,5 cm
Stille Psyche, 2013. Detail.
Stille
Psyche, 2013. Jugendstil Psyche, Gummi. 90 x 141 x 59 cm
Schattenobjekt
"Spiegel", 2013. Versch. Materialien. 51 x 167 x 8 cm
TRIP,
2013. Gips. 100 x 70 x 25 cm
Merry go
round, 2013. Video. Dauer: 07:21 min.. Auflage 5. Kamera, Schnitt: Alexandra Gschiel
Raumöffner,
2011. Eisen, verzinkt, Lack. 90 x 40 x 26 cm